links: Stefan, rechts: Janis, "Bande für Gestaltung"


Lena: Ihr habt ja im Studium, soweit ich weiß, schon angefangen zusammen zu arbeiten und euch dann selbstständig gemacht. Wie kam es dazu und was habt ihr denn so studiert?



Stefan: Wir haben alle drei Kommunikationsdesign studiert und haben uns dann dementsprechend auch kennen gelernt, haben dann ein ziemlich großes studentisches Projekt zusammen gemacht und haben gemerkt, dass man ziemlich gut zusammen arbeiten kann. Wir haben uns dann tatsächlich irgendwann erst mal einen Raum gesucht, um unsere Diplome in Ruh‘ bearbeiten zu können und das nicht zuhause machen zu müssen… und dann irgendwo wo man sich mit ein paar Leuten treffen kann und das gemeinsam macht. Es hat sich dann irgendwann ergeben, dass man eine gemeinsame Firma gegründet hat. Das war dann eben noch während des Studiums, also bevor wir fertig waren.

 

Lena: Ihr habt ja auch die T-Shirts für das Dortmunder „U“ gemacht soweit ich weiß. Habt ihr euch denn auf ein bestimmtes Gebiet im Bereich spezialisiert, oder seid ihr da relativ offen?



Stefan: Ja, so kann man das nicht sagen, FÜR das Dortmunder „U“. Wir haben das „U“ als Motiv aufgegriffen.



Lena: Das war also keine Auftragsarbeit, sondern das war quasi…



Stefan: …ein freies Projekt…



Janis: … Eigeninitiative.



Lena: Also, habt ihr euch denn auf irgend eine bestimmte Branche spezialisiert?



Stefan: Wir haben zwar alle das Gleiche studiert, aber ich hab‘ dann eher den fotografischen Teil im Prinzip studiert, also… Janis hat auch Fotodesign studiert, ist aber dann eher in Richtung Grafik abgedriftet. Bei mir war das jetzt nich‘ ganz so stark. Ich bin dann doch eher der Fotograf hier und Amir ist eher grafiklastig. Von daher hat jeder erst mal so, in der Konstellation, sein Spezialgebiet. Ansonsten, so spezialisiert sind wir auch nicht, kann man jedenfalls nicht sagen, dass wir nur Architekten betreuen, oder so.




Lena: Wieso seid ihr denn in Dortmund geblieben? Gab es denn irgendetwas, das euch zu dieser Entscheidung bewegt hat?



Stefan: … ja Berlin is’ voll. (lacht)



Lena: Wohl wahr.



Janis: Wir haben ja schon während des Studiums angefangen und insofern stellte sich da die Frage noch nicht, wegzugehen. Es hat sich halt vorher schon entwickelt, aber trotzdem haben wir es dann natürlich auch bewusst irgendwo gemacht, weil wir einfach gesagt haben, nee wir wollen eben nich‘ wegrennen. wir sind jetzt auch alle ein paar Jahre hier gewesen, man hat sich hier sein Umfeld, seine ganze Infrastruktur, so was alles aufgebaut. Deswegen kann man es doch einfach mal probieren und zusehen, dass das jetzt auch geht. So, wie Stefan gerade gesagt hat, woanders is‘ es natürlich auch schon verdammt voll und es sind verdammt viele und hier gibt es bestimmt auch noch einiges.





Lena: Was bedeutet es denn für euch, wenn Andere, oder wenn auch ihr vielleicht von “wir” sprechen? Wen beinhaltet das denn?



(Pause)



Janis: Ich find´ das jetzt ´n bisschen schwierig, mit dem Zusammenhalt. Also, einerseits seh´ ich den auch, wenn´s dann eben auch weiter weg geht, intern finde ich aber, ist das noch relativ wenig. Wenn man sich anguckt, wie viele Bochumer nach Dortmund fahren um was zu unternehmen und wie viele Dortmunder nach Essen fahren - das ist dafür, dass es ja eigentlich verdammt nah ist, relativ wenig. So nach außen hin, ins größere, da wird dann repräsentiert: „Ja, wir sind der Ruhrpott“, da dann schon, aber so intern finde ich, kann das noch viel mehr zusammen wachsen.



Lena: Was müsste eurer Meinung nach denn passieren, damit dieser Fall eintritt?



Stefan: Naja, da kocht natürlich jede Stadt ihre eigene Suppe und jeder Stadtteil kocht dann auch seine eigene Suppe. Das is´ dann auch klar irgendwie, dass das keine Einheit is´. Man müsste sich dann schon irgendwie, von oben herab, viel mehr vernetzen.



Janis: Da gibt es dann so die klassischen Bsp., das eine is´ dann der gut getaktete Nahverkehr, das is´ aber auch schon ein „tausend mal gehörtes“ Argument. Das andere is´ halt auch wirklich schon noch das Althergebrachte, wenn man sich den kulturellen Bereich anguckt: das althergebrachte Stadtdenken. Jede Stadt hier will ein eigenes Theater und am besten noch ´ne eigene Oper und so weiter haben.



Stefan: Also in gewisser Weise konkurriert man da halt natürlich auch. Also dieses „Ruhr 2010“ Gedöns... keine Ahnung... das war auch wieder so irgendwas, so wie Janis sagte, nach außen hin repräsentieren wir: „Wir sind so ein... “Volk”“.



(lachen)



Naja.



Lena: Gerade mit Hinblick auf „Ruhr 2010“, was is´ denn daran gut gelaufen und was schlecht? Was hättet ihr euch gewünscht, was hätte besser laufen können, rückblickend?



Stefan: Naja, für Dortmunder Verhältnisse is´ das alles… also die Geldkoffer sind leider alle nur an eine Adresse gegangen. Das fand ich ein bisschen schade.



Lena: ... nämlich das „U“?



Stefan: Mh- hm. Da war das Postfach natürlich so groß, dass das gar nicht ausgereicht hat was geliefert wurde. Die 40 Mio., oder watt.



Janis: ...das is´ ja immer schwer also... einerseits muss es dann die Leuchtturmprojekte geben, um die Leute dann auch zu kriegen, andererseits wünscht man sich dann mehr Nachhaltigkeit im Kleinen. Kann man ja sehen an so was wie der A40 Geschichte. Die einen sagen: „Das hat mit Kultur nix zu tun, das is´ nicht Kultur, das is´ irgendwie Volkstümlichkeit“. Die anderen sagen: „Ja genauso is´ Volkstümlichkeit.“ und genau deshalb holt es auch die meisten Leute ab. Darum geht´s genau, was wünscht man sich da mehr? Das Problem is´ halt glaub ich, das Ganze wird halt auch sehr zentral gesteuert. Deswegen sind diese Leuchtturmgeschichten unheimlich wichtig, weil da was vorgewiesen werden muss. Wir sehen das dann in unserem Bereich auch, klar dafür gibt´s dann auch EU Fördergelder und so n´ Kram und deswegen muss das dann wieder sein. Wenn man dann Kulturhauptstadt 2010 im Ruhrgebiet hat, dann werden die ganzen Schriften und offiziellen Werbegelder und so... das wird dann irgendwo in Hamburg produziert und gestaltet… denkt man sich natürlich was....



Stefan:.. geht mit euch?



Janis: ... soll das?



Lena: Das kam dann von Außerhalb und hatte mit dem Ruhrgebiet nichts zu tun.



Stefan: Ja, wenn man sich das hier aufbauen will, dann muss man auch das Geld, was man dann eh ausgibt, möglichst hier ausgeben. Das denken wir jedenfalls.



Janis: Da is´ aber dann wieder das Problem, dass das eben EU Fördergelder sind, da gibt es dann Vorschriften, das muss dann, glaub ich, auch europaweit ausgeschrieben werden und pi pa po. Einerseits hat das alles seine Berechtigung, andererseits schafft man dann einfach nicht den Effekt für die Region, den es bringen könnte.





Lena: Was bedeutet denn für euch Kultur? Es wurde ja sehr viel darauf geschimpft, dass es viel mehr gibt zum Ruhrgebiet, als die Industrie. Was ist denn dann für euch Kultur?



(Pause)



Stefan:... so generell jetzt, oder bezogen auf das Ruhrgebiet?



Lena: Erst mal auf das Ruhrgebiet bezogen. Was wäre denn speziell in dem Fall Kultur?



(Pause)



Stefan: Dann kann ich auch nur sagen, was ich gut finde, oder schlecht finde. Ob das jetzt Kultur is´, oder nich´ ist... keine Ahnung... Ich bin z.B. jetzt Kleingärtner seit ´nem dreiviertel Jahr und ich finde jetzt schon, dass das auch ein absolut regionales Ding is´ für hier. Andererseits, kann ich nichts mit diesem Spiegelzelt, was wahrscheinlich auch Kultur is´, nix anfangen.



Lena: Spiegelzelt?



Stefan: Was vor dem „U“ aufgebaut wird, wo hier... wer kommt dahin? Hennes Bender? Ehm... is´ das Kultur? ... nee das is... Klamauk.



(Schmunzeln)



Janis: Das Angebot muss halt eben groß genug sein...



Stefan: ... dass für jeden was dabei is´.



Janis: ... dass jeder sich seinen Teil sucht. Der Eine findet dann halt Comedy gut, der Nächste findet dann irgendwelche Lichtinstallationen gut, der Dritte Theater, der Vierte Klassische und der Fünfte halt ´ne Mayday. Davon lebt´s halt dann, von der Vielfältigkeit. Das, finde ich, macht dann halt tatsächlich die Kultur aus, weil...



Stefan: ... da wird auch oft von der Kultur „Landschaft“ gesprochen.



Janis: Ja, von der klassischen Definition würden dann die meisten sagen: „Oper is´ Kultur“, aber du kannst natürlich auch sagen: „Oper is´ einfach nur elitär, denn wie viele Leute gehen dahin?“ Trotzdem is´ es wichtig, so was zu haben und so was als Angebot zu haben is´ enorm bereichernd. Finde ich auch sehr gut, ich will der Oper in keinster Weise den Kulturstatus absprechen, ich will nur sagen, es gibt noch viel mehr Dinge die auch Kultur sind, die auch in der öffentlichen Wahrnehmung nicht so sind.





Lena: Würdet ihr sagen, dass Kultur etwas ist, das vom einzelnen Individuum gemacht wird, oder eher eine Gruppierung definiert? So, wie man sagt: „Das ist DAS Ruhrgebiet, oder DIE Berliner.“ Was ist zu Hause?



Janis: Das zu Hause macht das persönliche Umfeld, das hat mit Kultur erst mal, also mit dem übergeordneten Begriff, nicht so viel zu tun. Ich denke schon, dass so was wie der Fußball hier in Dortmund ein Stück Kulturgut ist, ein extremes...



Stefan: ... Identifikationsobjekt.



Janis: ... ja, das ganz extrem und das eint auch total Viele hier, die sich darüber definieren und sagen das is´...



Stefan: ... für Viele hier auf der Straße, in der Region, das Einzige wo die überhaupt mit Kultur in Verbindung kommen. Frag die ´mal, was Kultur is´, frag mal den Typen da, der aus dem Fenster guckt, was für ihn Kultur is´.





Lena: Ist das etwas, das man während „Ruhr 2010“ hätte stärker betreiben sollen, die ganz „normalen“ Leute fragen was Kultur ist?



Stefan: Das hatten wir ja eben schon, dieses A40 Ding... wie hieß das? Still... leben? Das hat ja Viele bewegt dahin zu gehen, da war ja die Hölle los, für jeden, der sich da ansatzweise für interessiert, war da was dabei. Ob das jetzt Nachhaltigkeit hinterlassen hat, das weiß man nicht. Man wird nie alle erreichen, jeder sucht sich dann seinen eigenen Spielplatz und seine eigene Nische. Das kann niemand leisten, keine Stadt leisten, für alle was anzubieten und alle glücklich und zufrieden zu machen.



Janis: Ich fand das echt gut, dass die Leute mal aus ihren Häusern gekrochen kamen, von jung bis alt und eben die, die nicht zu einer wilden Theaterinszenierung gehen würden und haben dann wieder ein Identifikationsobjekt gefunden.



Stefan: Alleine dieses Monstrum ´mal zu sperren, ohne Baustelle und Supergau.



Janis: Da gibt´s aber auch wieder welche die sagen: „Das hat nichts mit Kultur zu tun. Kultur is´ Theater und Museum.“ Aber es geht eigentlich darum, dass die Leute das eben nicht nur passiv konsumieren sondern, dass sie an der eigenen Kultur arbeiten und sich einsetzen, dass was passiert. Das kann man nur erreichen, wenn die erst mal irgendwo hingehen und nicht denken: „Das interessiert mich eh´ nicht, das is´ eh nix für mich.“



Lena: Beeinflusst euer Leben im Ruhrgebiet auch eure Arbeit?



Stefan: Also ich denke schon, dass mich das beeinflusst wo ich gerade lebe. Ich bin jetzt seit 10 Jahren hier, bin eigentlich woanders geboren, von daher zehre ich schon aus meiner Vergangenheit, aber auch aus den letzten 10 Jahren in denen ich hier lebe, studiert und gearbeitet habe. Klar.





Lena: Schwingt das auch für euch positiv mit, oder ist das etwas, das weder gut noch schlecht ist?



Janis: Da komm´ ich nochmal darauf zurück, was ich am Anfang gesagt hab´, dass es noch gar nich´ richtig angekommen is´, was man für ein riesen großes Angebot auf so einem kleinen Raum hat. Das nimmt man oft nicht so wahr, wie man es wahrnehmen könnte.  Die Berliner fahren eben auch 40 km von einem Ende der Stadt bis zum anderen, es is´ hier aber noch relativ selten, dass die Leute wirklich noch aus Dortmund bewusst eine Veranstaltung in Essen wahrnehmen, wenn´s nicht ein riesen großes Konzert ist, oder sowas. Das kann man noch mehr nutzen glaub ich.



Lena: Wie könnte man das noch mehr nutzen?



(Pause)



Stefan: Tja, wenn wir das wüssten, dann hätten wir schon Geld damit verdient.



Janis: Das sind zwei verschiedene Faktoren, der eine ist die Infrastruktur, der andere ist die Information. Da hilft es auch nichts zu schimpfen: „Da muss mal jemand was organisieren!“, da muss man sich selber schlau machen.





Lena: Also, mehr Eigeninitiative.



Stefan: Da denke ich, ist es auch sinnvoll, wenn die Städte sich koordinieren würden und nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht und man Sachen zusammen tragen würde anstatt sich immer nur als Konkurrenz zu sehen, um tatsächlich irgendwann mal in dieser Metropole „Ruhr“ zu denken.



Lena: Gibt es außer dem großen Angebot für den einzelnen, andere Vorteile die man daraus ziehen könnte, für das Leben hier?



Stefan: Leute kennen lernen z.B., finde ich schon ein Mehrwert den ich mir verschaffe, wenn ich woanders weggehe. Das bereichert mein Leben… aber um nochmal auf diese Metropole „Ruhr“ zurück zukommen, ich fahre äußerst selten nach Essen was machen. Nach Bochum kommt dann nicht mehr viel, das muss ich einfach mal eingestehen.



Lena: Es ist also nicht das Idealbild, das andere haben, dass wir ständig von einer Stadt zur nächsten tingeln?



Stefan: Das is´ Blödsinn, also ich kenne niemanden der das macht. Die Dichte nutzt mir dann eben doch nichts, weil es sind trotzdem „wie viel“ km, die ich zurück legen muss.



Janis: Ich denke, das is´ überall so, wo es so groß wird. Einerseits hat man ein größeres Angebot und irgendwann merkt man dann doch, es is´ zu groß, als dass man es ständig überblicken und wahrnehmen könnte. Dann bilden sich auch die „Cluster“, die sind dann in dem Viertel, oder dem Stadtteil, oder...



Stefan: ... bis zur Nachbarstadt auch.



Janis: Ja nee, man braucht halt beides. Du brauchst ja was, wo du tatsächlich in irgendeiner Art und Weise dich zu Hause fühlst, weil du da vielleicht jeden Baum kennst.



Stefan: Ich glaube schon, dass das ein Vorteil is´ vom Ruhrgebiet, dass man relativ nah viele Großstädte hat, auch kulturell. Wenn man das jetzt vergleicht mit Berlin, Dresden... die Städte sind von der Dimension größer, aber danach kommt dann auch lange erst mal nix. Wo fährst du hin, wenn du in Berlin wohnst, aber nicht da weggehen willst? Da hat man es hier natürlich leichter, ob man das nutzt, ob das überhaupt erstrebenswert ist, ist noch ´ne andere Frage.



Lena: Spiegelt sich diese Bevölkerungsdichte auch in der Mentalität der Leute wieder?



Janis: Ich finde, dass ist eher genau das Gegenteil, dass es nicht so “metropolistisch” ist, sondern es ist eher sehr ländlich ist. Dadurch, dass es ja nie so gedacht war, hast du hier nicht Alleen und Prachtstraßen so wie in Berlin, oder Paris, es eben aus kleinen Stückchen gewachsen und zusammen gewuchert.



Stefan: das finde ich auch an Dortmund sehr verwunderlich, du hast eben deinen Stadtkern, hast aber auch wenige Minuten bis du dann im Grünen bist. Das schätze ich dann doch an dieser Stadt, in fünf bis zehn Minuten kann ich hier alleine sein. 





Lena: Ist man sich denn hier weniger fremd, als in anderen Großstädten?



Janis: Nicht vom Dortmunder Osten bis zum Bochumer Westen. Klar, in jedem Viertel sind eben die Leute, aber das passiert in Berlin genauso. Vielleicht ist es nochmal von den Dimensionen ein bisschen anders, weil die Häuser in Berlin nicht acht oder zwölf Parteien im Haus, sondern eher zwanzig haben. Es gibt aber viel, dass die Leute zwar sich dem Ruhrgebiet zugehörig fühlen, aber die Essener schütteln über die Bochumer den Kopf und die Bochumer über die Dortmunder und die Dortmunder über die Castrop- Rauxeler.



Lena: Gibt es denn dann also diese Anonymität wie in anderen Großstädten?



Stefan: Ja, genauso. Das is´ ein Wunschglaube, dass sich alle hier “lieb haben” müssen. Das ist genauso wie auf der ganzen Welt. 




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